Mit ihrer kürzlich veröffentlichten Dokumentation „What REALLY Happened to Our Roster – A BIG CLAN STORY“ wollte die deutsche E-Sport-Organisation BIG Einblicke hinter die Kulissen gewähren und gleichzeitig einen Neuanfang signalisieren. Herausgekommen ist eine selten offene, aber auch brisante Aufarbeitung, die vor allem einen alten Konflikt neu befeuert: den zwischen BIG und ihrem langjährigen AWP-Spieler Florian „syrsoN“ Rische.
syrsoN als Sündenbock?
Die Doku zeichnet syrsoN als Mittelpunkt eines Motivationsproblems – er habe nicht „zu 100 % mitgezogen“ und so das Teamgefüge belastet. Aussagen, die syrsoN so nicht unkommentiert stehen lässt: In einem offenen Reaction-Video macht der 29-Jährige klar, dass er viele Darstellungen so nicht stehen lassen kann – und übt dabei auch deutliche Kritik am Umgang der Organisation mit ihm.

„Unser Verhältnis wurde schlechter“
Vor allem das Verhältnis zu Karim „Krimbo“ Moussa steht im Mittelpunkt der Kritik. syrsoN bestätigt zwar, dass die Chemie zwischen beiden zuletzt nicht mehr stimmte, widerspricht aber der Darstellung, dass es allein an ihm gelegen habe:
„Unser Verhältnis war anfangs okay bis gut – wurde dann bis zum Jahresende aber schlechter.“ „Mir hat sein Verhalten nicht gefallen, während Practice, Theorie und Officials.“
Krimbo habe sich zu sehr für unersetzlich gehalten, so syrsoN:
„Er dachte halt, er ist der Beste und kommt mit allem durch, so ungefähr.“
Gerade deshalb hinterfragt syrsoN auch, warum bei BIG offenbar so sehr an Krimbo festgehalten wird – obwohl dieser selbst nicht frei von Fehlern sei:
„Da kann ich auch Karim nennen, der öfter zu Trainingstagen und Officials zu spät kam. Und dann zu mir, dem der immer pünktlich war, zu sagen, dass der nicht mitziehen würde – ist einfach schade.“
„Jeder zeigt Emotionen anders“
Ein weiterer Vorwurf: syrsoN habe seine Freude über Siege zu selten gezeigt. Auch hier hält er dagegen:
„Jeder zeigt Emotionen auf eine andere Art und Weise. Ich hab mich nicht geändert, ich habe mich genauso gefreut wie früher.“
Er vergleicht sich mit Robert Lewandowski, der selbst bei einem Sieg unzufrieden sein könne, wenn er keine gute Leistung gebracht habe:
„Wenn ich viel verschossen habe, konnte ich mich halt nicht so freuen – klar.“
Trotzdem zeigt er sich auch selbstkritisch:
„Klar kann ich daran jetzt arbeiten – dass ich dann fürs nächste Team direkt losschreie, los juble – bin halt auch nur ein Mensch.“
Mit dem in der Öffentlichkeit oftmals kritisierten Kapitän Johannes „tabseN“ Wodarz kam er nach eigener Aussage immer besser zurecht, und äusserte sich durchaus wertschätzend über diesen.

Eine Organisation ohne Plan?
Die Doku legt nicht nur den falschen Fokus auf syrsoN – sondern wirft auch die Frage auf, ob sich BIG damit selbst einen Gefallen getan hat. Seit Roman „Roman R.“ Reinhardt den Posten des Chief Gaming Officers von Christian Lenz übernommen hat, scheint die sportliche Talfahrt nicht zu stoppen. syrsoN selbst hatte BIG bereits im Februar 2023 erstmals verlassen, kehrte ein Jahr später gemeinsam mit Jon „JDC“ de Castro zurück – nur um zum Ende des Jahres 2024 erneut aussortiert zu werden.
Neben syrsoN wurden in den vergangenen Jahren auch Spieler wie Nils „k1to“ Gruhne oder Mateusz „mantuu“ Wilczewski trotz starker individueller Leistungen auf die Bank gesetzt. Währenddessen hält BIG mittlerweile an einem Kern fest, der sportlich kaum zu überzeugen wusste: Das Line-up, das seit Januar 2025 gemeinsam spielt, hat bislang nicht ein einziges Mal die Playoffs eines Tier-1-Turniers erreicht. Nach der verpassten Major-Qualifikation folgte das bittere Aus bei der IEM Cologne – auf dem letzten Platz, sieglos. Köln ist das wichtigste Event des Jahres für die Berliner.
Die Frage stellt sich: Wieso hält man an Spielern wie Krimbo fest, die zweifellos grosses Talent mitbringen, aber offenbar intern selbst immer wieder anecken? Während man verdiente Spieler ohne echtes Abschiedswort fallen lässt? Welchen Mehrwert bringen Marcel „hyped“ Köhn und Can „kyuubii“ Ali, den syrsoN, sowie der ebenfalls geschasste Rigon „rigoN“ Gashi, nicht ebenfalls mitgebracht haben?
BIG hatte mit dem in ihrer Doku beleuchteten 2024er-Team, erstmals seit über 2 Jahren, ein Major, und dort gar die Top 16, erreicht. Dieses Line-up dann so fallen zu lassen ist und bleibt eine mehr als fragwürdige Entscheidung, für welche die deutsche Organisation nun den Preis zahlen wird: Im VRS-Ranking ist man abgerutscht, Einladungen für weitere Tier 1-Events, welche zwingend notwendig sind, werden Mangelware.
Mit syrsoN hat BIG im Übrigen jedes mögliche Major erreicht. Ohne ihn, seit 2019, keines!
Was bringt die Zukunft?
Was von syrsoNs Reaktion bleibt, ist nicht nur eine andere Version der Ereignisse, sondern auch der Eindruck, dass der Bruch tiefer sitzt als es die Doku vermuten lässt. Er ist berechtigterweise enttäuscht, der Umgang nach all den gemeinsamen Jahren ist maximal respektlos.
Ob BIG mit dieser neuen Offenheit wirklich einen Neuanfang schafft, bleibt fraglich. Mit der Doku hat man sicher Mut zur Transparenz bewiesen – sich gleichzeitig aber auch selbst angreifbar gemacht. Gerade wenn man Spieler wie syrsoN mit einer einseitigen Geschichte zurücklässt, die dieser nur zu gerne gerade rückt.
BIG wird früher oder später ohnehin nicht drumherum kommen Veränderungen vorzunehmen, sei es im Roster oder im Management. Schade, dass sie dabei wohl nicht mehr auf die beste deutsche AWP zurückgreifen werden.
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