Golden Moments 2019: Der Pakistani-Takeover

2019 brachte wieder schöne Geschichten mit sich in der eSports-Welt. Wir durften spannende Matches erleben, Events geniessen und Teams gewinnen und verlieren sehen. In dieser Reihe blicken wir zurück auf die Golden Moments des Jahres.

Wenn wir das Wort “Pakistan” hören, wird wahrscheinlich keiner mit dem ersten Gedanken bei Videospielen und eSports sein. Es gibt viele Sachen die man viel eher mit dem Land verbinden könnte, aber diese sind weder besonders aufheiternd, noch ein Thema das wirklich von einem eSports Magazin behandelt werden sollte. Also tun wir das auch nicht.

Stattdessen konzentrieren wir uns auf unser Spezialgebiet, genauer die Fighting Game Community, kurz FGC. Für Uneingeweihte: das ist der Dachbegriff unter dem alle Turniere und Events von Fighting Games wie Street Fighter, Mortal Kombat, Super Smash Bros. und viele andere, zusammengefasst werden.

Heute interessiert uns Tekken 7, das neueste Spiel in einer langen Reihe, die auf Arcade Maschinen begann. Wie in jedem anderem Spiel gibt es auch hier Regionen mit einer Überzahl an Spielern auf dem Top-Level. In Tekken sind diese traditionell Südkorea (Überraschung), Japan und Nordamerika. Natürlich gibt es Spieler von anderen Regionen und Ländern aber die 3 genannten haben eine deutliche Überzahl, was logischerweise heisst, dass die besten Spieler auch aus dieser Region kommen, da die Chancen höher sind.

Und genau hier kommt jetzt eben der Titel dieses Artikels wieder ins Spiel.

Unsere Geschichte beginnt in Pakistan, genauer Lahore, eine 11 Mio. Metropole an der Grenze zu Indien. Hier entdeckt der junge Arslan “ArslanAsh” Siddique eine Passion für Fighting Games durch seine Brüder. Tagein, tagaus kam er nach Hause und spielte. Anfangs jedoch nicht Tekken sondern King of Fighters, wo er sich schnell einen Namen machte als Pakistans bester Spieler. Als jedoch 2007 Tekken 6 auf den Markt kam, zog es Arslan schnell in seinen Bann. Auch hier ging es nicht lange bis er bekannt war als Pakistans Nummer 1. Allerdings sollte es noch lange gehen, bis irgendwer im Westen sein Können selbst erlebte.

Was vielleicht einigen klar ist: man hat es in Pakistan nicht einfach mit Visas und ohne diese können Spieler aus der Region nicht reisen und an internationalen Events mitmachen. Internationale Events heissen Publicity und darauf folgen Sponsoren etc. die solche Probleme helfen könnten zu beheben. Ein Teufelskreis.

2010 hatte es ein Pakistaner geschafft nach England zu reisen, an die Tekken World Tour Finals. Ein Spieler namens Asim, und an diesem Event schockte er die komplette Szene. Einen nach dem anderen der grossen Namen nahm er auseinander, nach allen Regeln der Kunst. Sein Statement am Ende war jedoch was den grössten Eindruck hinterliess: Er erzählte von Pakistan, einer FGC Szene besser als die meisten im Westen und er erzählte von einem Jungen, dem nicht einmal er das Wasser reichen könne. Er nannte ihn sogar beim Namen: ArslanAsh. Wenn er jemals an einem Event teilnimmt, wird der Spass vorbei sein.

Bis die anderen Spieler ihn zu Gesicht bekommen, sollten jedoch noch 8 Jahre vergehen.

Endlich, im 2018 verliess Arslan Pakistan zum an seinem ersten internationalen Event teilzunehmen, dem South East Asia Major. Er platzierte sich zwar nur als 9. aber es gingen Gerüchte herum, dass in den Friendly Matches ausserhalb des Turniers ein Pakistaner sämtliche Asiaten demontierte.

Nächster Halt war Dubai und das OUG Tournament. An sich kein sehr spezielles Turnier, aber im Finale wartete Knee auf ihn, allgemein bekannt als “The God of Tekken” mit dutzenden von Turniersiegen unter seinem Gürtel. Keiner konnte an dem Punkt vorhersehen, dass ArslanAsh den legendären Knee 3:0 schlagen würde. Ohne grossen Widerstand vom koreanischen Veteranen. Wahrscheinlich schrieben sie darum Arslan’s Sieg dem Glück zu. Also musste er nochmals reisen, nochmals sich mit Visas und Botschaften herumschlagen. Diesmal ging es jedoch an ein grösseres Turnier. Viel grösser.

Die Evolution Championship Series, kurz Evo, ist das FGC Mekka.

Einmal im Jahr finden sich die Besten der Besten in allen Fighting Games zusammen, um herauszufinden wer denn jetzt der Allerbeste ist. Dazu kommen wir erst ein wenig später in der Geschichte. Zuerst ging es für Arslan zwar schon an ein Evo Turnier, allerdings nicht das Hauptturnier in Las Vegas, sondern ihr Schwesterturnier, Evo Japan. Ein Turnier für Spieler aus Asien, die ebenfalls wenig Möglichkeiten haben zu reisen.

Nichtsdestotrotz ein Riesenturnier und vor allem ein Turnier mit Spieler vom höchsten Kaliber, die sonst an keinem anderen Turnier sind. Die Reise sollte nicht einfach werden. Auf dem Weg musste Arslan mehrmals den Flug wechseln, aufgrund seines Visas und als er dann endlich in Japan ankam, konnte er sein Geld nicht umtauschen. Das war problematisch, denn aufgrund seines Flugwechsels war er nun in Tokyo und nicht in Fukuoka, wo das Turnier eigentlich stattfand.

Arslan stand in Tokyo, weit entfernt vom Turnier und ohne Geld für ein Taxi oder Essen.

Hier zeigte sich die japanische FGC mehr als nur solidarisch und sortge dafür, dass Arslan nach Fukuoka kam, ohne weitere Probleme. Hungrig, übermüdet und fast zu spät kam er an, aber das hinderte ihn nicht im Geringsten. Arslan dominierte das komplette Turnier auf seinem Weg zum Finale, wo ihm der Phillipine AK gegenüberstand. Und an jedem anderem Tag wäre dies AK’s Story gewesen, der Junge aus den Phillipinen, der die Legenden von Tekken besiegt hat um die Phillpinen auf die Tekkenmap zu bringen. Nicht an diesem Tag, nicht in diesem Match. Arslan war zwar übermüdet und ausgelaugt, aber er hatte Blut geleckt und AK war in seinem Weg. Nicht für lange, denn Arslan schnappte sich ohne grossen Widerstand den Evo Japan-Titel.

Für Arslan war das noch lange nicht genug. Er hatte sein nächstes Ziel vor Augen und so flog er im August nach Las Vegas, Nevada um endgültig zu beweisen, dass er der Beste ist. Evo war jedoch fast ein Reset für ihn und er spielte die meisten Spiele Offstream, der Fokus lag auf neuen Hoffnungen von grossen Teams wie Liquid etc. Trotzdem fand er sich wieder mühelos in den Top 8 und machte sich bereit im Halbfinale noch einmals gegen Knee anzutreten, den er bereits an der Evo Japan gebodigt hatte. Beide Spieler gaben sich alles und nach einem knappen Match bugsierte Arlsan, Knee in das Loserbracket. Knee gab nicht so einfach auf und terrorisierte seine Gegner bis er sich sich das Rematch gegen Arslan im Grand Final verdient hatte. Zum letzten Mal standen sie sich nun gegenüber und machten sich bereit zu entscheiden, wer endgültig der Beste ist.

The God of Tekken gegen einen jungen Pakistani, der bis vor kurzem noch sein eigenes Land zum ersten Mal verlassen hatte.

Es war ein legendäres Match, keiner schenkte dem anderen auch nur eine Milimeter, jede Runde fingernägelbeissend knapp.

Aber am Schluss gewann in einem 3:2 der Underdog aus Pakistan. Und veränderte damit die Tekken Szene für immer.

Seit Arslan’s Sieg an Evo ist nun allen klar: Pakistaner sind überragend in Fighting Games, nicht nur Tekken. Sein Sieg an Evo hat viele Augen auf die Region gerichtet und es gibt sogar Spieler die nach Pakistan reisen um in der lokalen Szene trainieren zu können, wie zum Beispiel Knee.

Die Spieler reisen nun auch viel mehr und man sieht viel öfters Teilnehmer aus diesen Regionen an grösseren Turnieren. Und wenn diese Spieler kommen, sind diese meistens sehr, sehr gut. Arslan’s Reisen und Erfolge helfen nun der lokalen Pakistani Szene immens, mit Sponsoren, Publicity und ein generelles Interesse an der Region. Er selbst macht sich auch stark in der Region und organisiert Turniere, renoviert Gruppenräume etc.

Alles in allem haben nicht nur Arslan oder seine Sponsoren profitiert, sondern auch seine Region und die FGC als Ganzes. Die Fighting Games Community ist wieder um ein Stück gewachsen, neue Spieler kommen an Turniere und das Volumen an guten Matches ist gestiegen. Und das ist das was zählt.

Because at the end of the day we just want some good-ass Tekken.

Jeremy "CinderellaMan" Ruffier des Aimes

Kolumnist

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