Speedrunning – Die vergessene eSports-Disziplin?
eSports hat, wie sein Gegenstück der Sport, zahlreiche Disziplinen und Facetten. Von puren Reflexen und Hand-Augen Koordination bis strategischem Denken, vergleichbar mit Schach, ist fast alles gefragt.
Natürlich nicht alles in denselben Disziplinen oder Spielen, aber bis zu einem gewissen Mass fordern die meiste Spiele diese Fähigkeiten. Mittlerweile können die meisten Leute zumindest etwas anfangen mit Begriffen wie CS:GO oder League of Legends und haben eine grobe Idee um was es geht.
Trotzdem gibt es noch eine weitere Facette des eSports die (noch) nicht dieses Rampenlicht geniessen darf. Es ist sogar ein Streitpunkt ob es überhaupt zu eSports zählt.
Speedrunning.
Der Name sagt eigentlich schon alles, Spieler probieren ein Game durchzuspielen und das so schnell wie möglich. Man kann auch einen gewissen Punkt, zum Beispiel 120 Sterne in Mario 64, probieren in Rekordzeit zu erreichen. Das Schöne an Speedrunning ist, dass man sich das Spiel und die Herausforderung selber aussuchen kann. Natürlich gibt es bereits stehende Rekorde für verschiedene Kategorien, aber theoretisch hält mich wenig davon ab, noch heute einen Weltrekord aufzustellen. Aber heute solls nicht darum gehen wie einfach es theoretisch wäre einen Rekord aufzustellen, sondern um bereits bestehende Rekorde und was es an Skill braucht um diese aufzustellen oder zu schlagen. Denn meiner Meinung nach verdienen Runner ein bisschen mehr Aufmerksamkeit.
Zum Beispiel die Runner, die Super Mario Bros. für das NES spielen. Dieses Spiel ist mittlerweile so alt und hat so viele Rekorde, dass diskutiert wird ob der momentane Weltrekord von Menschen überhaupt zu schlagen ist. Dieser liegt bei 4:55:746m.
Die Millisekunden sind wichtig, denn der zweitplatzierte liegt bei 4:55:796m. Dieser minimale Zeitunterscheid bedeutet, dass die Runner nur Frames auseinander liegen.
Der komplette Run kann im Bruchteil einer Sekunde in die Hose gehen und es hängt alles nur von der eigenen Fähigkeit ab, in eben diesen Bruchteilen die richtigen Knöpfe in der richtigen Reihenfolge und im richtigem Rhythmus zu drücken. Es ist schwer diesen Fertigkeiten mit Worten gerecht zu werden aber ein guter Vergleich sind Uhren.
Mit Millisekunden genauer Präzision werden die richtigen Zeiger (oder Finger) an die korrekten Stellen bewegt.
Nun gibt es vielleicht Leute, die von dieser Zeit überrascht sind. Immerhin muss man Mario durch 8 Welten und 32 Level navigieren. Auch mit einem perfekten Run würde man da doch mindestens 20 Minuten brauchen? Und diese Leuten liegen nicht falsch. Es ist unmöglich das Spiel in 5 Minuten zu schlagen, wenn man durch alle 32 Level spielt. Die oben genannten Zeiten sind aus der sogenannten Any% Kategorie. Wie der Name schon andeutet, ist das Ziel in dieser Kategorie ans Ende des Spiels zu kommen, mit allen möglichen Mitteln. Cheats sind natürlich nicht erlaubt, aber Glitches und Bug-Abuse wiederum schon. Alles was im Rahmen des Spiels möglich ist. Und in Super Mario Bros. gibt es einen Glitch, mit dem man direkt zu Welt 8 springen kann, indem man die Röhren benutzt. Auch dieser Glitch erfordert perfekte Inputs und pixelgenaue Präzision mit Marios Platzierung. Auf diesem Weg gelangt man in eine Warp Zone die es einem ermöglicht direkt zu Welt 8 zu skippen.
Aber das sind nicht die einzigen Herausforderungen die sich Speedrunner stellen.
Viele machen auch pure Ausdauertests, indem sie zum Beispiel probieren The 602 in Rekordzeit abzulegen. The 602 ist ein Super Mario Speedrun bei dem man in allen 3D Mario Spielen von 64 bis Galaxy 2 alle Sterne sammelt und nie länger als eine Stunde Pause macht. Der momentane Weltrekord liegt da bei 20:43:55h. Man muss sich dabei trotzdem bewusst bleiben, dass die Runner die einzelnen Spiele immer noch in Rekordzeiten ablegen. Das heisst, dass sie während diesen 21 Stunden immer noch quasi fehlerlos spielen müssen, mit denselben frameperfekten Inputs und dabei noch die Route durch die einzelnen Level und Spiele im Kopf behalten.
Und das schönste an Speedrunning ist: Jeder kann mitmachen.
Auf jeder Konsole, mit jedem Spiel, egal wer oder wo man ist. Man kann immer eine neue persönliche Bestzeit erreichen und seine eigenen Erfolge messen. Und um das geht es meiner Meinug nach im eSports, so wie im Sport: das konstante besser werden und die eigenen Fortschritte sehen. Die Suche nach dem höchstem Berg nur um zu bemerken, dass es doch nur ein Plateau war und es noch viel weiter aufwärts geht.
Falls das, was hier geschrieben habe ein Interesse geweckt hat – wunderbar!
Speedrunner verdienen mehr Aufmerksamkeit und ein wenig Rampenlicht. Für diejenigen, die gerne die Besten der besten Runner in Action sehen möchten, gibt es Awesome Games Done Quick. Ein Charity-Livestream, bei dem die Rekordhalter einzelner Spiele ihr Können vor Publikum zeigen. Das aktuellste dieser Events endete am 12. Januar mit einer Peak Viewership von 237’000 und $3.13 Mio. für die Prevent Cancer Foundation. Wer also 2 Gamer sehen möchte, wie sie mit einem Controller und Augenbinden probieren Mike Tyson’s Punch-Out zu schlagen und dabei noch Krebsfroschung unterstützen, weiss jetzt wohin.