Platzt gerade die eSports-Bubble?

Lange Zeit galt eSports als ein Markt mit unendlichem Potential. Nach zahlreichen grossen Investitionen erlebt eSports gerade eine schwierige Zeit. Renommierte Organisationen schliessen von heute auf morgen, alle Angestellten verlieren ihre Jobs. Es drängt sich die Frage auf: Platzt gerade die eSports-Bubble?

Es ist noch gar nicht lange her, da war die Stimmung noch ganz anders. Im Juli 2021 meldete das britische Team Excel Esports, dass Investoren 20 Millionen Euro in den Ausbau der Organisation stecken werden. Ein noch grösseres Investment kündigt Vitality im Januar 2022 an: Sie erhalten 50 Millionen über drei Jahre, ein neuer Rekord für die eSport-Industrie. Zu guter Letzt: Der FaZe-Clan, eine ikonische Gaming-Gruppe, entschied sich im Juli 2022 an die Börse zu gehen.

Nach einem erfolgreichen Start sieht es jetzt bei FaZe nicht mehr so rosig aus. Sie fahren alleine im ersten halben Jahr 19 Millionen Euro Verlust ein. In wenigen Monaten halbiert sich der Preis ihrer Aktien, Erholung ist keine in Sicht.Inzwischen liegt die Aktie 95% unter dem Startpreis.

Chart

Und FaZe ist keinesfalls ein Einzelfall. Der folgende Tweet zeigt auf, wie schlimm 2023 für eSports bisher war.

Esports in 2023:@TheGuard dead@eUnited dead@TorrentHQ dead@FaZeClan 20% staff laid off, stock down 60%@100Thieves 15% staff laid off@OpTic staff cuts@Immortals staff cuts@TeamLiquid staff cuts@nerdstreet financial trouble and 25% staff cut@riotgames 46 jobs cut

— Keeg (@KeegMGMT) February 23, 2023

Schauen wir uns doch mal an, welche eSports-Organisationen sonst noch schlechte Neuigkeiten verkünden mussten.

Somebody let The Guard down

The Guard ist eine eSports-Organisation aus Los Angeles. Sie ist genaugenommen der eSports-Arm der Firma Kroenke Sports & Entertainment, eine Holding Company mit Investments in verschiedene “traditionelle” Sportclubs (zum Beispiel FC Arsenal, Denver Nuggets oder LA Rams).

2017 wird die Organisation gegründet. Kroenke Sports & Entertainment kauft im selben Jahr einen Teamslot in der neu gegründeten Overwatch League. 2019 kommt ein Spot in der Call of Duty League dazu und 2021 werden die Ambitionen auf weitere Games ausgeweitet.

The Guard

Quasi aus dem Nichts wird im Februar 2023 mindestens 29 Mitarbeitern gekündigt. Die Teams, welche unter The Guard spielen, werden ihre Saisons fertigspielen. Danach stehen die Slots zum Verkauf. Dazu kommt, dass The Guard einen Grossteil des ganzen Content-Teams auf die Strasse gestellt hat, das für viele Teile des Marketings zentral war.

Beyond the Summit is: Nothing

Beyond the Summit war einer der grössten eigenständigen eSports-Turnierorganisatoren. Das bedeutet, dass sie keinem Publisher wie Riot Games oder Activision Blizzard gehören. Ja, es gibt da auch ESL, DreamHack und FACEIT. Diese drei wurden aber alle 2022 vom Public Investment Fund von Saudi Arabien aufgekauft.

Beyond The Summit wurde 2012 gegründet und hat 11 Jahre lang Turniere organisiert und mit Streams begleitet. Vor Allem in der Dota 2 und Smash Bros. Community waren sie ein grosser Player. Ende Februar wurde bekanntgegeben, dass Beyond The Summit die Tore schliessen muss. Gemäss Gründer David “LD” Gorman rentiere sich der Betrieb finanziell einfach nicht mehr. 32 Angestellte verlieren ihren Job.

Beyond The Summit
Foto: Beyond The Summit/dpa

Okay, aber warum?

Gemäss Xavier Oswald, Strategy Director für Karmine Corp, liegt das Problem in den frühen eSports-Jahren zwischen 2017 und 2019. In diesen Jahren waren drei Games äusserst beliebt: League of Legends, Call of Duty und Overwatch. Die Entwickler der Games, Riot Games und Activision Blizzard haben Geld gerochen und ihre Ligen franchisiert. Ganz wie im traditionellen Sport müssen Teams, die in die Liga wollen, eine Startgebühr entrichten. Diese war, im damaligen Hype, sehr hoch angesetzt worden.

Das führte zu einer gewissen Überbewertung von eSport-Teams. Die eSport-Teams wurden als wertvoller bewertet, als sie waren, da der Startslot so teuer war. Man konnte die Überbewertung ausserdem damit rechtfertigen, dass eSport ja ein immerzu wachsender Markt sei und das Interesse an eSport von Jahr zu Jahr wachsen wird.

Schon vor drei Jahren hat Kotaku etwas Wichtiges aufgezeigt: Oftmals wurden die Revenue-Streams von eSport-Teams viel besser dargestellt, als sie es wirklich waren.

Nach einer anfänglichen Euphorie wurden die Investoren langsam misstrauisch. Man stellt einen Bubble-Effekt fest. Die Überbewertungen von 2019 werden langsam angepasst, die Investments werden kleiner.

Ein grosses Problem ist auch, wie das erwirtschaftete Geld verteilt wird. In offiziellen Ligen wie beispielsweise dem LEC (europäische League of Legends-Liga) hat der Developer komplette Kontrolle darüber, wie der Gewinn an alle Beteiligten verteilt wird. Den Teams bleiben dann nur andere Wege, um finanziell rentabel zu bleiben: Merch, Entry Fees für eigene Events und so weiter.

Dasselbe Phänomen ist zudem in der Schweiz zu beobachten. Hatte die kleine, feine Szene bis vor wenigen Jahren noch viele eigenständige Ligen und Turnieren, schrumpfte dies je länger, je mehr. Heute sind lediglich die TCS eSports League und die Swisscom Hero League wirklich nennenswert. Obwohl auch diese sich regelmässig anpassen müssen, um Vorgaben verschiedener Publisher einzuhalten. Organisatoren sind dabei oft machtlos. Denn im Gegensatz zum “traditionellen Sport”, haben hier Entwickler und Publisher die Alleinherrschaft über Lizenzen und deren Vergabe.

Was bringt die Zukunft

Selbst Tobias M. Scholz, Autor von eSports is Business, glaubt, dass eSports nun nicht mehr exponentiell wächst. Nach dem anfänglichen Hype ist es jetzt Zeit, die rosa Brille abzunehmen. Oh Wunder: Mit eSport lässt sich nicht auf magische Weise über Nacht das grosse Geld machen.

Meiner Meinung nach ist diese Entwicklung kein Grund zur Panik. Das Argument der Überbewertung in der “goldenen Zeit” des eSport, vorallem in Franchise-Ligen, beruhigt und ordnet ein. Insgesamt könnte dies sogar eine Chance für viele mittelgrosse und kleine Teams sein. So bieten viele Ligen inzwischen gute Aufstiegsmöglichkeiten und Mittelklasse-Varianten an. Nur kann nicht mehr jedes Team über Nacht zum internationalen Top-Star aufsteigen. Diese Zeiten sind im eSports nun auch vorbei.

Was denkt ihr? Ist die eSports-Bubble geplatzt? Was bringt die Zukunft?

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